Johannes Benk (xxxx-xxxx)
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Hildegard Hertha Karola Prüß (1909-xxxx)
"Tante Hilde"
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"Tante Hilde" - 75 Jahre
Genau heißt sie Hildegard Hertha Karola Prüß, aber in Wittdün wird sie von vielen "Tante Hilde" genannt, eine Erinnerung an ihre Zeit als Kindergärtnerin Anfang der 1940er Jahre. Am 5. April 1984 wurde Hildegard 75 Jahre alt. Geboren ist sie 1909 in Bad Sachsa als letztes von fünf Kindern. Ihre Eltern waren Heinrich Prüß, Mineralwasserfabrikant in Harsefeld bei Buchholz und Philippine, geb. Quedens. Heinrich war aus erster Ehe Witwer mit drei Kindern, sodass die Eltern insgesamt acht Kinder zu versorgen hatten.
Hilde ist aufgewachsen in Harsefeld und Stade, aber im Sommer war sie alljährlich bei ihren Großeltern in Wittdün, wo sie friesisch gelernt hat. Und ihr Großvater, verheiratet mit Therese, geb. Köster, war kein geringerer als der Gründer Wittdüns und einer der reichsten Männer des jungen Badeortes, Volkert Martin Quedens.
Auf ihre Vorfahren ist Hilde besonders stolz und sie lebt sehr intensiv in ihrer "Frühgeschichte". Kann sie doch ihre Ahnen in der männlichen Linie zurückverfolgen bis in die Zeit um 1550/70 und in der weiblichen Linie unter anderem auf den legendären Harck Olufs als Stammvater verweisen. Vielen Einzelheiten ist sie persönlich nachgegangen und hat wichtige Daten zur Familiengeschichte der Quedens am Ort ihrer Herkunft zwischen Lüneburg, Winsen an der Luhe und Bleckede "ausgegraben."
Hildes Vater Heinrich starb 1910 und nun war es für die Mutter nicht einfach, ihre Kinder zu versorgen. Das Vermögen der verkauften Fabrik und einer Gastwirtschaft gingen durch die Inflation verloren, als der Käufer seine Schuld mit wertlosem Geld bezahlte. Aber als 1918 der Großvater starb, erbte "Phine" das Haus "Therese" in Wittdün und kam mit den Kindern nach Amrum zurück. Die Großmutter Therese lebte noch bis 1941, im Haus "Therese" versorgt von Tochter Phine und Enkelin Hilde.
Trotz vielfachen Ortswechsels konnte Hilde höhere Schulen, u.a. in Berlin-Charlottenburg besuchen und 1929 ihre Staatsexamen als Kindergärtnerin und Hortnerin machen. Es folgten Haushalts- und Praktikantenjahre im Harz, in Oranienbaum und die Tätigkeit als Erzieherin in Flottbek bis 1932. Dann kam ein Telegramm, das Hilde im März 1932 nach Hause rief, weil die Mutter eine Querschnittlähmung erlitt und nun die Tochter zur Weiterführung der Pension "Therese" bestimmt wurde. Hilde erinnert sich an die zufriedenen und alljährlich wiederkehrenden Gäste im Haus "Therese", wie auch an hohen und allerhöchsten Besuch, darunter 1927 der Enkel des letzten deutschen Kaisers und an die Gattin von Otto von Habsburg mit ihren Kindern, den österreichischen Kaiserenkeln.
1933 aber begann das "Tausendjährige Reich". Die Wittdüner Hauptstraße hieß nun Adolf-Hitler-Straße und Hilde bekennt, dass sie, wie alle jungen Leute damals, begeistert war, aktiv an der "Bewegung" teilnahm und als "Mailing" in die Partei eintrat und Jungmädel-Führerin wurde. Als solche war sie auf dem Führer-Thing in Kiel, fuhr 1934 zum Reichsparteitag nach Nürnberg, in Friesentracht zum Bauerntag 1935 nach Goslar, zusammen mit Boy Bohn und Peter Martens als "Vertreter der arischen Rasse" und 1936, ebenfalls in Friesentracht, zur Olympiade nach Berlin.
"Das kannst du ruhig schreiben", sagt Hilde, couragiert, "denn ich habe niemandem etwas getan. Wir waren bestürzt und empört, als eine Halbjüdin, Marret Lange, hier auf Amrum auf Anordnungen von Parteioberen nicht mehr in unserer Jungmädelgruppe mitmachen durfte ..."
Die Folgen des "Tausendjährigen Reiches" waren dann aber Krieg und Flüchtlinge, die gegen Kriegsende auch in das Haus "Therese" kamen. Erst nach Kriegsende und dem Wegzug der Flüchtlinge konnte das Haus "Therese" wieder Gäste aufnehmen.
Hildes Ehe mit Johannes Benk dauerte nur von 1942 bis 1950. Am 27. Januar 1958 starb die Mutter, "Phine", und nun mussten die Erbteile an die Geschwister ausbezahlt werden. Es ist Hilde aber gelungen, den Besitz über die Wechselfälle der Ereignisse zu retten. Dank ihrer Kochkünste hatte sie in der Saison immer ein volles Haus. Und im Winter wohnten oft Handelsvertreter bei ihr. Zusätzlich übernahm sie noch eine Versicherungs-Agentur.
Im Jahre 1967 kaufte sie das Haus von Hermann Hartmann, der mit Hildes Tante Käthe, geb. Quedens, verheiratet war. Es wurde ihr Ruhesitz, als sie 1975 das Haus "Therese" an Ocke Schmidt verkaufte. Im Ruhestand hat Hilde, die ein Leben lang hart gearbeitet, vorwiegend für andere Menschen da gewesen ist und oft mit Krankheiten zu kämpfen hatte, noch den Aufschwung gehabt, sich die Welt anzusehen und vor allem einige Schiffsreisen über Rhein, Donau und das Mittelmeer genossen.
G.Q.
aus: Amrum 1984 - Jahres-Chronik einer Insel (Georg Quedens/Rita Basty)